SCHÖNHEIT DER VERGÄNGLICHKEIT #1 – In 80 Tagen um die Welt

raum13 Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste

In 80 Tagen um die Welt bildet den Abschluss der Trilogie SCHÖNHEIT DER VERGÄNGLICHKEIT #3 – 1, an der Kolacek & Leßle in den Jahren 2012 bis 2015 arbeiten. 

In 80 Tagen um die Welt ist eine spartenübergreifende Theater-Installation, die die Anfänge der Industrialisierung, der Mobilität und der Weltmotorisierung im 19. Jahrhundert in den Blick nimmt und nach den Ursprüngen unserer heutigen mobilen und international vernetzten Gesellschaft fragt. Neben der literarischen Vorlage von Jules Vernes „Reise um die Erde in 80 Tagen“ von 1873 bildet insbesondere die außergewöhnliche Spielstätte mit den heute leerstehenden Industriehallen des einstigen Weltkonzerns Klöckner-Humboldt-Deutz, in denen vor gut 150 Jahren die Weltmotorisierung begann, den Ausgangspunkt unserer künstlerischen Arbeit.

Konzept u. Idee: raum13 Kolacek & Leßle, Inszenierung/ Umsetzung: Anja Kolacek & Marc Leßle 

raum13 Stadtkunstprojekt

In 80 Tagen um die Welt verfolgtdaher keine textgetreue Inszenierung der Abenteuergeschichten rund um Vernes Protagonisten Phileas Fogg, sondern orientiert sich vielmehr an dem im Roman beschriebenen Zeitgeist und dem Streben nach Mobilität, Beschleunigung und Fortschritt. In diesem Kontext ist insbesondere auch der Autor Jules Vernes selbst interessant, der, obzwar vom literaturwissenschaftlichen Kanon lange vernachlässigt, als einer der Begründer der Science-Fiction-Literatur gilt. Mit seinen zukunftsweisenden Texten wie „Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer“ (1869-70), „Reise um den Mond“ (1870) und „Paris im 20. Jahrhundert“ (1863) hat er die technologischen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts literarisch vorweg genommen und bewegt sich mit seinen Konstellationen des Möglichen gleichsam in einem Spannungsfeld zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Die in Vernes Romanen beschriebene rasante Entwicklung der Verkehrs- und Kommunikationstechnologien findet ihren materialen Ausdruck in unserer Spielstätte mit ihren industriell-technologischen Wurzeln. Auch der in den literarischen Vorlagen geschilderte Entdecker- und Erfindergeist lässt sich in personifizierter Weise auf Nikolaus August Otto, den Erfinder des Otto-Motors, Gründer der Deutz-Werke und damit Begründer der Weltmotorisierung übertragen. Die im 19. Jahrhundert einsetzende und immer weiter fortschreitende Entwicklung der Mobilität, Motorisierung und technischen Produktivität ist jedoch heute keineswegs abgeschlossen. „Höher, schneller, weiter“  steht als Slogan nicht nur prototypisch für das technikbegeisterte 19. Jahrhundert, sondern kennzeichnet auch unsere digitalisierte und auf permanente Leistung- und Produktivitätssteigerung setzende Gesellschaft. Sogar das Reisen, bei Vernes einst noch neugieriges Entdecken und Erfahren von fremden Ländern und Kulturen oder aber Möglichkeit des Innehaltens und Ausruhens, wird heute durch eine regelrechte Freizeitindustrie mit ihren pauschalisierten Urlaubsangeboten und optimierten Kosten-Nutzenrechnungen genormt und konsumierbar gemacht.

In 80 Tagen um die Welt greift diese die damalige und heutige Gesellschaft kennzeichnenden Momente von Mobilität, Beschleunigung und Fortschrittsglauben auf und verbindet sie zu einer audiovisuellen Theater-Installation. Angelehnt an Vernes Beschreibung seiner Bühnenbearbeitung von „Reise um die Erde in 80 Tagen“ als „Spektakelstück“ setzen auch wir – ganz im Sinne des 19. Jahrhunderts – auf ein traditionelle und futuristische Mittel gleichermaßen einbeziehendes Technik-Spektakel: Video-, Musik- und Soundeinspielungen werden aufwendig produziert, indem etwa Geräusche eines Heißluftballons, des Schienen- und Flugzeugverkehrs aufgenommen und teils im Vorfeld, teils live mit passendem Bildmaterial zu einer audiovisuellen Installation gebündelt werden. Alte Motoren und Maschinen, Projektionen, Video- und Sound-Einspielungen werden an performativen Zwischenstationen in der ehemaligen Werkshalle ebenso wie großflächig im riesigen, zur Open-Air-Bühne umfunktionierten Innenhof der Industriebrache präsentiert. So wie die Kunst früher zu den techne (lat.) zählte, wird hier die Technik als gleichwertiger künstlerischer Partner der Schauspieler begriffen, die mal im Einklang mit der Technik, mal in Opposition zu ihr agieren. Das Publikum befindet sich mitten im Geschehen und kann so ganz eigene Antworten auf die Frage nach der Bedeutung des Einzelnen in einer gleichermaßen spannenden wie beängstigenden durchtechnologisierten Welt finden.

Besetzung

Von: raum13 Kolacek & Leßle // Inszenierung: Anja Kolacek und Marc Leßle Mit. Eva Bauriedl, Verena Bildhauer, Volker Eulitz, Katja Gehrke, Nicol Hungsberg, Ellen Müller, Josefine Patzelt, Inna Poltorychin, Andreas Schmid, Anna Tenta, Ilaa Tietz, Kathrin

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