KSTA von Paul Gross und Anna Westkämper
Der Stadtrat will, dass der Stadt künftig das gesamte Otto-Langen-Quartier gehört. Dazu soll die Verwaltung prüfen, ob sie den Teil des Geländes kaufen kann, der aktuell dem Land NRW gehört. Das geht aus einem Antragsentwurf der Ratsmehrheit hervor, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. In dem Entwurf heißt es: „Der Stadtentwicklungsausschuss beauftragt die Verwaltung erneut an das Land heranzutreten und einen Direkterwerb des zweiten Teilgrundstücks […] anzustreben.“
Seit 2021 gehören der Stadt die vorderen Teile des Geländes, darunter die ehemalige Hauptverwaltung von Klöckner-Humboldt-Deutz. Der Rest des 50 000 Quadratmeter großen Areals gehört der landeseigenen Entwicklungsgesellschaft NRW Urban.
Das Otto-Langen-Quartier gilt als der Ort, auf dem im 19. Jahrhundert das erste moderne Motorenwerk der Welt stand. Hier hat Nikolaus Otto 1874 seinen ersten Vier-Takt-Motor gebaut, den Ottomotor. Hier hatte Gottfried Daimler seine Werkstatt, auch Ettore Bugatti baute hier sein erstes Auto. Heute ist das Gelände nicht zugänglich. Die Überreste der Werkstätten und Hallen zeugen von der Geschichte des Ortes.
Eigentlich hatte die Stadt für die Teile des Otto-Langen-Quartiers, die dem Land gehören, ein Bieterverfahren geplant. Baudezernent Markus Greitemann schwärmte von dieser Idee, als er im Sommer 2022 zu einem Presserundgang auf dem Gelände eingeladen hatte. „Ich möchte, dass man an jeder Stelle spürt, was dort geschaffen wurde“, sagte er damals. Der Weg dorthin: Investoren werden mit ihren Konzepten bei einer Jury vorstellig, in der auch die Stadt sitzt. Dort präsentieren sie ihre Ideen, die sozialen Wohnungsbau, Kultureinrichtungen und einen schonenden Umgang mit dem Kulturerbe beinhalten sollten. Von allen Bewerbungen wären nach Greitemanns Vorstellung final zwei bis drei Investoren infrage gekommen, von denen der Höchstbietende den Zuschlag erhalten hätte.
Nur im Notfall, nämlich, wenn keines der Investoren-Konzepte sich als geeignet erwiesen hätte, hätte die Stadt das Gelände vom Land selbst kaufen können. Dieser einstige Plan B wird nun aber zum Plan A der Kölner Politik. Denn die sieht durch das neue Haushaltsgesetz des Landes NRW eine Möglichkeit, das Gelände direkt und günstig zu kaufen – und damit die volle Kontrolle über die Entwicklung zu behalten.
Die neue Hoffnung auf einen Direktkauf ohne Bieterverfahren ist durch eine Formulierung im Haushaltsgesetz des Landes entstanden, für die sich Kölner Landtagsabgeordnete eingesetzt haben. Das Finanzministerium des Landes äußerte sich am Donnerstag auf Anfrage zwar nicht zum Thema. Doch im Haushaltsgesetz steht: „Mit Zustimmung des Haushalts- und Finanzausschusses des Landtags dürfen Grundstücke direkt und ohne öffentliches Ausschreibungsverfahren auf der Grundlage einer gutachterlichen Wertermittlung an Gemeinden […] für die Erfüllung kommunaler Zwecke oder für die Errichtung von öffentlich gefördertem Wohnraum […] veräußert werden.“
Städte dürfen Grundstücke wie das Otto-Langen-Quartier also ohne Ausschreibung kaufen – wenn die politischen Landesgremien zustimmen. In denen haben, genau wie in Köln, CDU und Grüne eine Mehrheit. Ein Kölner Abgeordneter, der entscheidend an den Verhandlungen beteiligt war, sagte: „Der Ball liegt jetzt bei der Stadt Köln. Ich erwarte keine großen Hürden von Landesseite.“ Und der Kölner Stadtrat ist bereit, diese Möglichkeit zu nutzen. Sabine Pakulat (Grüne), Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses, sieht eine „verbesserte Chance“ für den Direktkauf: „Für uns ist schon lange klar, dass wir das Otto-Langen-Quartier gemeinwohlorientiert und nachhaltig entwickeln wollen. Mit seinen Industriedenkmälern ist das Gelände ein ganz besonderer Ort im Rechtsrheinischen. Hier soll ein Quartier entstehen, das bezahlbaren Wohnraum, Kultur, Arbeit und Freizeit miteinander verbindet.“
Niklas Kienitz, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der CDU, nennt den möglichen Direktkauf „eine große Chance für eine attraktive Entwicklung des Otto-Langen-Quartiers“. Ziel sei ein urbanes Quartier, auch einen Ausbau der Clubkultur im Rechtsrheinischen kann er sich dort vorstellen. „Offenbar können wir dieses Ziel nur erreichen, wenn die Grundstücke im Besitz der Stadt sind“, so Kienitz. Es könne aber sein, dass die Stadt – ähnlich wie bei den Hallen Kalk – das Grundstück am Ende nicht im Alleingang gestalten kann. „Wir brauchen eine klassische Projektentwicklung“, sagte Kienitz. Ähnliche Projekte hat in Köln beispielsweise Beos mit dem Carlswerk an der Schanzenstraße in Mülheim realisiert.
Isabella Venturini (Volt) sagte über den Antrag: „Profitorientierung kann Stadtentwicklung massiv behindern, der Mülheimer Süden ist ein trauriges Beispiel dafür. Mit dem Otto-Langen-Quartier hat Köln die einmalige Chance, ein Veedel zu gestalten, das dem Gemeinwohl dient.“ Mit SPD, Linke und FDP haben sich auch drei Oppositionsfraktionen dem Antrag angeschlossen. Und Markus Greitemann, der ein Investorenverfahren geplant hatte? Will seine Meinung zu dem Antrag nicht kundtun. Denn: „Das ist eine politische Entscheidung.“ Was die Politik dort entscheide, sei konsistent. Er hält einen Kauf des Geländes für denkbar: „Wir sind schon jetzt im Benehmen mit dem Land. Der Direktkauf kann durchaus realistisch sein, die Entscheidung muss am Ende aber das Land treffen.“