Das Land Utopia #1–3
2015–2020

Nach der inhaltlich-theatralen Bestandsaufnahme Schönheit der Vergänglichkeit #3–1 und der daraus folgenden künstlerischen Setzung oder vielmehr Produktion des Raumes in Deutz-Mülheim ist raum13 jetzt an dem Punkt, aus den immer wieder aufgeworfenen Fragen und den bisherigen Antworten Visionen zu formulieren, deren Inhalte sich sowohl an den heute gegebenen als auch weiterhin zu generierenden gesellschaftlichen Fragen/Aufgaben orientieren, aber sich auch historisch-politisch reflexiv den zukünftigen Anforderungen zuwenden.

Kein Raum bleibt leer, entweder er zerfällt oder er wird neu gestaltet #1 Großstadt

Man könnte auch sagen: raum13, ist ein Raum zwischen links- und rechtsrheinisch, aus dem heraus Colonia im mentalitätshistorischen Kampf Kölns, auf der richtigen Seite stehen zu lernen, neu definiert werden kann. Wir residieren in einem der fantastischsten Entwicklungsgebiete Kölns, nirgendwo gibt es in dieser Stadt so viel Gestaltungsfreiraum wie zwischen Deutz und Mülheim. Wie kostbar dieses Kleinod – der zu gestaltende Raum – ist, wird noch deutlicher, wenn wir die aktuellen Zeitungsberichte und Studien lesen, in denen von immer höheren Mietpreisen, der Raumnot in den Großstädten und dem Kampf um bezahlbaren Wohn-Arbeits-Kreativraum berichtet wird.

Jetzt wird ausgemacht, wie der soziale Raum von morgen aussehen kann. Wer gestaltet? Wer entscheidet? Wie möchten wir leben, arbeiten, alt werden und unsere Kinder aufwachsen sehen? Sind die gängigen Verfahren der Bürger:innenbeteiligungen an Stadtentwicklungsfragen adäquat? Wem gehört die Stadt? Muss die Kunst, müssen die Künstler:innen sich einmischen oder sind sie nur immer einer der ersten Schritte zur Gentrifizierung unseres Stadtraums? Welche Rolle spielt raum13? Gestalten wir nicht schon mit, indem wir in den entstehenden Raum in Deutz-Mülheim durch künstlerische Aktionen interaktiv eingreifen? Können wir sichtbar machen, was im Verborgenen liegt? Was bewirken unsere reflexiven Impulse? Und was passiert, wenn wir aus diesem Raum herausgehen?

Welche Rolle spielt Theater in unserer Gesellschaft, und was für ein(en) Ort kann Theater sein und gestalten? Real-utopisch könnte das Theater doch ein Ort sein, der alle Freiheit besitzt, die Gesellschaft widerzuspiegeln und in Frage zu stellen, sofern es sich frei von ökonomischem Legitimationsdruck artikulieren kann. Es könnte ein Ort sein, der durchaus eine „reinigende Kraft“ besitzt.

Anforderungen an die (post-)modernen und (post-)strukturalistischen Communitys im urbanen Raum der zweiten Moderne: In immer enger werdenden Räumen haben immer mehr (un-)politisch agierende Subjekte ihre Interessen zu vereinbaren, ihr freies soziales Atmen auszuhandeln, sich gegenüber einem explodierenden Verkehr kognitiv antizipierend verhalten zu lernen und die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf zu erkämpfen. Und das alles, ohne ihre jeweilige Individualität im (un-)politischen Kollektiv zu verlieren.

Stadt, Land, (im) Fluss: Kein Raum bleibt leer, ent- weder er zerfällt oder er wird neu gestaltet #2 Europa

„In den Straßen Berlins überfällt einen nicht selten für Augenblicke die Erkenntnis, das alles platze unversehens eines Tages entzwei.“ (Siegfried Kracauer Anfang des 20. Jahrunderts)

Der Stadtraum hat zugleich aber auch die Chance, aufgrund seiner sozial-dynamischen Elemente alteritäre Formen des Zusammenlebens zu entwickeln, um dadurch unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und den Wert der Solidarität in unserem Umfeld weiterzuentwickeln: Stadtluft macht frei. Nur, für wen gilt das? Diese Gedanken sind natürlich auch in einem größerem Kontext sichtbar. Die innere Struktur Europas, nach innen friedlich, nach außen Festung (Frontex), ist ein exklusives Moment innerhalb einer Longue durée der kosmopolitischen Lebensanforderungen an die Globalgesellschaft.

Wie gehen wir mit den Flüchtlingsströmen heute und in Zukunft (un-)bewusst nicht um? Dies ist auch in der Reflexion im Hinblick auf die europäische Kolonialisierung, der Versklavung ganzer Kontinente zu leisten. Arm und Reich ist ein Diskurs der im „Kleinen“, in unserer Stadtgesellschaft (un-)sichtbar vorkommt, aber der uns ebenso international zur Verantwortung zwingt, weil die Krisen unserer und der zukünftigen Generationen sich aus diesem Gefälle ergeben.

Stadt, Land, (im) Fluss: Kein Raum bleibt leer, entweder er zerfällt oder er wird neu gestaltet #3 Utopia

„Eine Weltkarte, in der das Land Utopia nicht verzeichnet ist, verdient keinen Blick, denn sie lässt die eine Küste aus, wo die Menschheit ewig landen wird. Und wenn die Menschheit dort angelangt ist, hält sie Umschau nach einem besseren Land und richtet ihre Segel dahin. Der Fortschritt ist die Verwirklichung von Utopien.“ (Oscar Wilde, Ende des 19. Jahrhunderts)

Utopien sind Gedankenexperimente und kritische Spiegelbilder der historischen Wirklichkeit. Neben der kritischen, manchmal sogar fundamentalkritischen Analyse ihrer Gegenwart liefern Utopien aber stets auch konstruktive Gegenbilder und Modelle einer fiktiven Gesellschaftsordnung, die noch keinen Raum hat. Wie können wir wieder lernen, dass wir Räume produzieren? Und können uns die Utopien von Thomas Morus, Karl Marx oder George Orwell ein Schlüssel oder eher Hilfskonstrukte für die brennenden gesellschaftspolitischen Fragen und Anforderungen des 21. Jahrhunderts sein? Wie wäre es, wenn die Großstadt als „Das Land Utopia” diskutiert werden würde? Wie wäre es, wenn im rechtsrheinischen Colonia eine postkoloniale Umkehr von Zentrum und Peripherie sozialen Miteinanders in Form einer Sozialen Plastik produziert werden würde? Wie wäre es, wenn es dafür bereits einen Ausgangspunkt geben würde?

Konzept | Idee: raum13 Kolacek & Leßle

2015
Das Land Utopia_Roadmovie | seit dem Frühjahr 2015 im öffentlichen Raum
Das Land Utopia_Auftakt | Theatrale Installation seit Dezember 2015 im Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste (DZK)
Das Land Utopia_Forum Intolleranza | seit Dezember 2015 an wechselnden Orten

2016
Das Land Utopia trifft das Forum Intolleranza | seit Juni 2016 an wechselnden Orten
Das Land Utopia_Jubiläumsausgabe | seit September 2016 im DZK
Das Land Utopia 16 | seit Dezember 2016 im DZK

2017
Ich bin Ihr #1 | Uganda und Köln | seit April 2017
Das Land Utopia_Die Bilder hinter den Bildern | Theatrale Installation seit Juni 2017 im DZK
Das Land Utopia_Timetravellers | Theatrale Installation seit Dezember 2017 im DZK

2018
LAB 1869 Zukunftswerk Stadt #1
Ich bin Ihr #2 | Südostasien und Köln | seit April 2018
Zeitspiralfedern #1 | seit September 2018 im öffentlichen Raum und im DZK

2019
LAB 1869 Zukunftswerk Stadt #2
Ich bin Ihr #3 | Frankreich, Dänemark und Köln
Zeitspiralfedern #2 | Seit September im öffentlichen Raum und dezentral

2020
LAB 1869 Zukunftswerk Stadt #3
Zeitspiralfedern #3

Darüber hinaus öffnen raum13 Kolacek&Leßle das Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste für nationale und internationale Theater- und Kunstproduktionen, die sich mit dem Thema und dem Wandel von gesellschaftlichen Strukturen beschäftigen. raum13 erstellt so ein künstlerisches Kaleidoskop gesellschaftlicher Momentaufnahmen: gestern, heute und morgen.

Thematische Kooperationsprojekte:

2015
Jung! Na und!_Metropolis, Junge Szene Plattform

2016
Das Land Utopia_Zwischenräume, im Dialog mit Suleika Ulmen und Sabine Bürk
Jung! Na und!_Im Puls der Zeit, Junge Szene Plattform

2017
Das Land Utopia_Querköpfe öffnen Zwischenräume, im Dialog mit The Nightingales
Das Land Utopia_Zwischenräume, im Dialog mit african peace murel und der kassangula talent school uganda

2018
Formencolonia, im Dialog mit Hans Joachim Irmler, Carl Friedrich Österheld, Ulrike Bleier, Mia Frimmer, Martin Mandler

Detailierte Informationen

Das Land Utopia #3
Zeitspiralfedern Festival 2018/2019

Die Frage, wie wir in Zukunft gemeinsam leben wollen, wurde 2018 und 2019 im Rahmen des vierwöchigen Werkstattformates LAB 1869 Zukunftswerk Stadt mit 67 involvierten Expertinnen aus den Bereichen Kunst, Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Architektur und Stadtplanung sowie mehr als 800 engagierten und interessierten Bürger:innen diskutiert und mit künstlerischen Herangehensweisen neu beleuchtet. Die Prozesse werden gebündelt und dokumentiert. Ziel ist es, sich durch die Veröffentlichung der einzelnen Arbeitsschritte dieses Laboratoriums aktiv am Stadtentwicklungsprozess zu beteiligen und exemplarisch die Kernfragen der Stadt an diesem Quartier sichtbar zu machen.

Für das Festival Zeitspiralfedern werden die transdisziplinären Ergebnisse künstlerisch transformiert und so zu einem sinnlich erfahrbaren Ereignis. Im Zentrum des Festivals stehen die Uraufführungen. Um diesen Nukleus der Zeitspiralfedern werden zahlreiche weitere Formate angeboten, unter anderem inszenierte Führungen, performative Stadt-Parcours, akustische Rauminstallationen und theatrale Werkstätten mit herausragenden Vertreter:innen verschiedenster Disziplinen.

Frage ist, inwiefern sich die Geschichten früherer Generationen in unserem gegenwärtigen und zukünftigen Handeln wiederholen. Inwieweit ist dieser Prozess als Wiederholungsschleife, als Loop zu verstehen? Oder verläuft er spiralförmig? Ist er überhaupt als ein Verlauf zu sehen? Inwiefern spannt sich zwischen gesellschaftlich und individuell bedeutsamen Ereignissen eine von uns allen (re-)produzierte, retroaktive Feder auf? Wann zieht sie sich warum zusammen? Wann und wie dehnt sie sich? Inwieweit können Zeitspiralfedern dazu beitragen, die Gleichzeitigkeit unserer multiplen, intersubjektiven Gegenwarten ausdrücken zu können, um zu einem demokratischen Diskurs (zurück) zu finden?

Das Bild der dreidimensionalen Zeitspiralfedern entspringt dem geschichts-soziologischen Gedanken, dass Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht ausschließlich chronologisch zu betrachten sind, sondern die Zeiten aus den verschiedenen gesellschaftlichen Blickwinkeln in Abhängigkeiten gesetzt sind, die sich rein linear nicht vollständig begreifen lassen. Diese Abhängigkeiten – Zwischenräume – werden folglich nur durch den durchlässigen Körper der Spiralfeder plastisch darstellbar. Die zum Teil irrationale Betrachtung historischer Umbrüche und Phänomene im Rahmen der Gegenwart kann durch das Bild der Spiralfedern unmittelbar sichtbar werden.

Die Uraufführungen

Auf die Frage, wie dieses Quartier mit menschlichem und künstlerisch nachhaltigem Maßstab geschaffen werden kann, zeigen die Uraufführungen eine ästhetische Umsetzung und eine mögliche Antwort auf. Schöpfend aus einem ausführlichen Fundus an Recherchen in Literatur, Fotomaterial, Stadtarchiv, Industriedokumentationen, ergänzt durch festgehaltene Interviews mit Zeitzeug:innen und Expert:innen, wird an der Sichtbarmachung des innewohnenden Potenzials des Otto-&-Langen-Quartiers gearbeitet. So begegnen zukünftige Bewohner:innen professionellen Tänzer:innen und Schauspieler:innen, ehemalige Fabrikarbeiter:innen der KHD-Werke Wirtschaftswissenschaftler:innen und Historiker:innen, Passant:innen, Architekt:innen und Kulturwissenschaftler:innen. Aus diesen Begegnungen entsteht eine produktive Überlieferung der Kollektivgedächtnisse, aus der eine lebenswerte, kollektive Zukunft für den Stadtteil geschrieben werden kann.

 

Das Land Utopia #3
LAB 1869 Zukunftswerk Stadt 2018/2019

Unter Bezugnahme und in Reflexion des raum13-Themenschwerpunktes Das Land Utopia #3 treffen Vertreter:innen aus Kunst, Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Stadtplanung und Wissenschaft in Köln für vier Wochen aufeinander, um – visionar und umdenkend – durch den gemeinsamen Dialog neue Impulse für künstlerisches Arbeiten und gesellschaftliches Engagement zu initiieren.

Basierend auf den seit 2011 umgesetzten Projekten und vor dem Hintergrund der geplanten europaweiten Ausschreibung des Geländes seitens der Eigentümerin NRW.Urban richtet raum13 mit den künstlerischen Projekten seit 2018 den Fokus auf einen kollaborativen Planungsprozess zur Entwicklung eines Quartiers mit menschlichem Maßstab, in dem Kunst und Kultur wie auch bürgerschaftliche Beteiligung nachhaltig, sprich: von Anfang an statt nachträglich oder nur symbolisch miteinbezogen werden.

Die Frage „Wie wir in Zukunft gemeinsam leben wollen?“ führte im Rahmen des Projekts in den Jahren 2018–2020 unter Beteiligung von 103 Expert:innen und mehr als 800 Bürger:innen zu verschiedenartigen konkreten Antworten und Beispielen mit Vorbildcharakter für die Entwicklung des zukünftigen Otto-&- Langen-Quartiers. Zu nennen sind hier z. B. Exrotaprint in Berlin, die Samtweberei in Krefeld, Frizz23 in Berlin, das Genossenschaftsprojekt wagnis in München oder die Initiative Bauen-Wohnen-Arbeiten e.V., ein Wohnungslosenprojekt in Köln.

So konnten wir mit den beteiligten Architekten, die über umfassende und jahrzehntelange praktische Erfahrungen in der Umgestaltung bestehender Gebäudekomplexe verfügen, wichtige Informationen für die weitere Planung und Entwicklung des Stadtquartiers gewinnen.

Ebenfalls unter den geladenen Expert:innen war Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, Barbara Foerster, Leiterin des Kulturamts der Stadt Köln, Dr. Winfried Gellner, Kulturamtsreferent der Stadt Köln a. D. sowie Prof. Dr. h.c. Hans-Joachim Gehrke, Althistoriker der Universität Freiburg und ehemaliger Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts, der als Resümee seiner Beteiligung sagt: „Das LAB 1869 Zukunftswerk Stadt zeigt exemplarisch, wie Partizipation erreicht und gefördert werden kann. Hier geht es um einen Raum in der Nähe, den man zu einem Raum der Nähe umgestalten kann. Und da es um Gestaltung geht, kommt in diesem Projekt der Kunst eine besondere Rolle zu, ganz zu Recht: Kunst setzt Partizipation voraus und fördert sie damit auf besondere Weise.“

Einen wertvollen Beitrag leistete Ralf Leppin, der das Genossenschaftsmodell der Indianersiedlung in Köln vorstellte – ein Finanzierungsmodell, das in der Kunst und Kultur ein interessantes Vorbild sein könnte.

Ein vielfältiges Zusammenleben mit polydimensionalen Räumen, die verschiedenartige Antworten auf derzeit brisante stadtgesellschaftliche Fragen ermöglichen, kann unserer Ansicht nach nur erreicht werden, wenn die unterschiedlichsten Perspektiven an der Quartiersentwicklung beteiligt werden: aus der Kunst, u. a. vertreten durch Prof. Dr. Christof Breidenich, Kommunikationsdesigner, Performer, Autor und Professor an der Hochschule Macromedia, Köln, aus der Denkmalpflege, vertreten durch Prof. Dr. Walter Buschmann, RWTH Aachen, aus der Kreativwirtschaft, vertreten durch die Projekte der Kölner KulturPaten e.V. und Jack in the Box e.V., aus soziokultuerellen Projekten, u. a. vertreten durch Jutta Pöstges, KAT18, oder Linda Rennings, Heimatlos in Köln e.V., sowie aus der Landesinitiative StadtBauKultur NRW, vertreten durch Dr. Hanna Hinrichs.

Aufbauend auf dieses wertvolle und erfahrene Netzwerk aus Expert:innen und Unterstützer:innen und die letzten acht Jahre inhaltlicher und organisatorischer Arbeit, ist die raum13 gGmbH bestrebt, mittels Mit- und Selbstbestimmung der Bürger:innen, Entwicklung aus dem Bestand, Nutzungsmischung, kultureller Vielfalt und sozialer Integration weiter an einer konkreten Umsetzung in einen gemeinwohlorientierten Stadtteil zu arbeiten.

Aktivitäten:

Die partizipativen Konferenzen

Vertreterinnen aus den Bereichen Stadtentwicklung, Denkmalschutz, Kunst, Kultur und Philosophie sowie Bildung treffen unter der Beteiligung der Bürger:innen aufeinander, um aus verschiedenen Blickwinkeln die aktuell brennenden gesellschaftlichen Aufgaben wie Wohnen, Arbeit, Umwelt, Mobilität, Inklusion, Diversität, Beteiligung und Demokratie zu beleuchten. Am Anfang einer jeden Konferenz stehen jeweils zwei Impulsreferate, die einen anregenden Gedankenaustausch in großer Runde anstoßen sollen. Eine Moderatorin wird durch die Konferenz geleiten.

Die performativen Stadt-Parcours

Performative Rundgänge durch die Historie zur Erhaltung der Zukunft: Wie kann man die Vergangenheit als ehemalige Zukunft fassen, um Aussagen über Wahrscheinlichkeiten, Möglichkeiten und Gestaltung aktueller Zukunft zu filtern? Warum sind die meisten von Menschen erhofften und erdachten Zukünfte nicht eingetreten? Im Rahmen des Zeitspiralfedern Festivals sind Expert:innen aus den Bereichen Stadtentwicklung, Denkmalschutz, Kunst, Kultur und Philosophie sowie Bildung aufgefordert, diese Fragen aus ihrer jeweiligen Perspektive zu beleuchten. Die Vertreter:innen der einzelnen Disziplinen werden in inszenierten Stadtspaziergängen ihren persönlichen Fokus und ihren Blick auf die Stadt von heute und den darunter liegenden Erinnerungen und Spuren der Vergangenheit und Gegenwart offenlegen. Durch die individuell und unabhängig voneinander eingeschlagenen Pfade entstehen Bodenmuster, die den Stadtraum wie Kreise und Zirkel bespielen.

Die inszenierten Führungen

Reisen durch die Zeit von heute über das Gründungsjahr der Motorenwerke 1869 hin zu seiner sich stetig verflüssigenden Zukunft. Hier, in der Gasmotoren-Fabrik Deutz, begann im 19. Jahrhundert mit der Erfindung des Ottomotors die Weltmotorisierung. In einem persönlichen Rahmen wird sowohl die Geschichte des faszinierenden Gebäudekomplexes der ehemaligen Klöckner-Humboldt-Deutz-Werke, als auch die Entwicklung hin zum heutigen raum13 Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste durch die Arbeit von Anja Kolacek und Marc Leßle erlebbar. Schichten der Vergangenheit werden freigelegt und in ständig neue Bezüge zur Gegenwart gesetzt.

Die theatralen Werkstätten

Gemeinsam von der ersten Gasmotorenfabrik der Welt zu einem zukünftigen urbanen Quartier! Hier wird produziert: Zeichentrickfilme, Podcasts, Hörspiele, Vorträge, Visionen, Finanzierungsmodelle, Architektur, Innenarchitektur, Bühnenbildmodelle, Wildkräuter, Marmeladen – und was einem sonst noch einfällt. Ein Quartier produziert sich selbst. Die Werkstattleiter:innen verfügen über ein erstaunliches Repertoire an Kenntnissen und Erfahrungen und weihen in die Grundlagen ihres Faches ein.

Die akustischen Rauminstallationen

Musik als Bildhauerei begreifen und das Otto-&-Langen-Quartier aus der Perspektive fantastischer Ausnahmemusiker*innen genießen.

 

Das Land Utopia #2
ICH BIN IHR
Internationale Werkstatt und Werkschau der Schönen Künste 2017–2019

Unter Bezugnahme und in Reflexion des raum13-Themenschwerpunktes Das Land Utopia #2 treffen bei ICH BIN IHR internationale und regionale Vertreter:innen aus Kunst, Politik und Wissenschaft in Köln für sechs Wochen aufeinander, um – visionär und umdenkend – durch den gemeinsamen Dialog neue Impulse für künstlerisches Arbeiten und gesellschaftliches Engagement zu initiieren.

ICH BIN IHR bringt Menschen zusammen, die durch die Einflüsse von europäischer und außereuropäischer Kolonialisierung/Globalisierung geprägt sind. Zum einen von Europa, einem der Motoren der Kolonialisierung des 19. Jahrhunderts bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts, und der nachfolgenden Neuordnung im sogenannten Kalten Krieg bis hin zur Gegenwart, in der die Kräfteverhältnisse auf unserem Globus überall scheinbar neu ausgehandelt werden. Zum anderen durch die Mimikry der „Zweiten und Dritten Welt“, die über diese Zeiten ein ambivalentes Bild zur eigenen Identität entwickelt haben.

Im Spannungsfeld der Diskussion über die aktuellen Wanderungsbewegungen der Menschen, dem Wirtschafts- und Bildungsgefälle auf unserer Welt und der Frage nach Nationalität und Weltbürgertum wollen wir insbesondere auch die sogenannten Soft Skills, die Werte, die unterschiedlichen Selbstverständnisse untersuchen im Hinblick von Peripherie und Zentrum unseres individuellen und sozialen Bewusstseins, um künstlerische Wege zur Gestaltung von demokratischen Räumen interkulturell generieren zu können.

Explizit sollen die Entwicklungen der verschiedenen Kunst- und Wissenschaftsbereiche der letzten 200 Jahre, in der Wechselwirkung zwischen Industrialisierung, politischen Ereignissen und technischem Fortschritt, unter die Lupe genommen und immer wieder in Bezug zu heutigen und zukünftigen Entwicklungen gesetzt werden. Dabei steht im Mittelpunkt die Frage nach den Auslösern, die epochale und globale Umbrüche evoziert haben, und was wir aus heutiger Perspektive daraus lernen und entwickeln können. Retroaktivität zur Erhaltung der Zukunft!

Aus dem gemeinsamen Arbeitsprozess ist ein dreidimensionales Raumobjekt entstanden, in der sich die bildende Kunst, das Sprechtheater, die Musik und der Bühnentanz nicht nur aus sich selbst heraus betrachten, sondern auch der gesellschaftliche Wandel durch die Industrialisierung/Kolonialisierung/Globalisierung aus einer nicht ausschließlich eurozentrischen Sicht erlebbar wird.

Die „Werkstatt“ bietet für die Teilnehmer:innen im Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste zahlreiche Räumlichkeiten für einen inspirierenden Dialog. Arbeitsräume, Ateliers und Werkstätten bieten die Möglichkeit, die aus diesem Austausch entstehenden Ideen in gemeinsamen Experimenten in die Realität umzusetzen. Diskussionsrunden, Foren, Exkursionen, Workshops und Symposien geben weitere Impulse für einen Dialog des Voneinanderlernens und Verstehens.

Konzept | Idee: raum13 Kolacek & Leßle

Das Land Utopia #1
Die Bilder hinter den Bildern 2017

Unter Bezugnahme und in Reflexion des raum13-Themenschwerpunktes Das Land Utopia #1 dekonstruiert sich das urbane Kunstobjekt raum13 Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste, welches die Räume des einstigen Weltkonzerns Klöckner-Humboldt-Deutz neu nutzt, seine traditionsreiche Geschichte aufgreift und sie in Analogie zu modernen gesellschaftlichen Umbrüchen und Strukturen setzt.

raum13 kehrt das Innerste nach außen und begibt sich auf die Spurensuche nach den Voraussetzungen und Entstehungsprozessen des Deutzer Zentralwerks der Schönen Künste. Der Wust an offiziellen Papieren, der dafür nötig war, das dokumentarisch entstandene und noch nicht veröffentlichte Foto- und Videomaterial der nicht zugänglichen Gebäude und Räume, die produzierten Sounds und Bilder der Kunstproduktionen, die vielen Geschichten der Mitarbeiter:innen die das raum13 Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste produzieren, die Texte aus den Regiebüchern und die vielen entstandenen Konzepte, von denen einige realisiert und andere wiederum nicht realisiert wurden, und vieles mehr sind unsere Zeugen der Zeit und der Transformation. Künstlerisch aufbereitet, gewährt diese Produktion einen Blick hinter die Kulissen, in die Büros, Werkstätten und in die Archive.

Die Grenzen zwischen Raum, Kunst, Alltäglichem, zwischen Künstler:innen und Besucher:innen werden aufgehoben. Zugleich wird das Geflecht von künstlerischem Schaffen, Stadtgesellschaft, Politik und Verwaltung erfahrbar gemacht. Die Arbeit thematisiert zentrale Fragestellungen der Kunstproduktion, das Verhältnis von Kunstwerk und Rezipient:innen ebenso wie Fragen nach der Autonomie des Kunstwerks und nach Wertschöpfungsprozessen. Was bedeutet es, wenn sich das Kunstwerk mit dem einstigen Weltkonzern KHD verwebt und zu einer neuen Substanz verschmilzt? Welchen Wert können die Künstler:innen für die Gesellschaft herstellen, und welche Chancen sind damit verbunden? Kann die Kunst als Motor für neue wegweisende Gesellschaftsmodelle verstanden werden und sichtbar machen, was im Verborgenen liegt? Was kann ein Kunst- und Kulturort heute für eine Stadt sein? Wie könnte so ein Ort aussehen für eine Gesellschaft des 21. Jahrhunderts und ihre veränderten sozialen Rituale?

Konzept | Idee: raum13 Kolacek & Leßle

Das Land Utopia #1_Roadmovie 2015/16

Stets auf der Suche nach Glück, sind wir auf den Kölner Brücken unterwegs um mit Kölner:innen und Nicht-Kölner:innen einen Blick auf die jeweils andere Seite des Rheins zu werfen. Wie wäre es, wenn im rechtsrheinischen Colonia, eine post-Colonia(le) Umkehr von Zentrum und Peripherie sozialen Miteinanders in Form einer sozialen Plastik produziert werden würde?

Das Land Utopia #1_Das Forum Intolleranza

Gründung 2015

Unter Bezugnahme und in Reflexion des raum13-Themenschwerpunktes Das Land Utopia #1–3 treffen Vertreter:innen aus Kunst und Politik, Wirtschaft und Wissenschaft aufeinander, um – visionär und umdenkend – durch den gemeinsamen Diskurs neue Impulse für künstlerisches Arbeiten und gesellschaftliches Engagement zu initiieren. Das Forum Intolleranza ist prozessorientiert angelegt und wird sich durch die Akteure immer wieder neu generieren und entwickeln.

Wer bist Du?
Woher kommst Du?
Und warum tust Du das, was Du tust?

Inwiefern hinterfragen wir Normen und deren Auswirkungen innerhalb von Interaktionen sozialen Zusammenlebens auf als auch durch den gesellschaftlichen Diskurs? Inwieweit berührt dieses Hinterfragen uns und unser tägliches soziales Denken und Handeln? Inwiefern re-produzieren wir Normen der Luhmann’schen 2. Beobachtung, wenn wir die/dessen Normen der 1. Beobachtung de-konstruieren? Wie kann, muss, soll ein Ausbrechen aus diesem Raster der Normen aussehen? Und warum eigentlich „ausbrechen“? Welche inneren Haltungen treiben uns an, wenn wir etwas (hinter-)fragen und (um-)gestalten wollen?

Das Forum Intolleranza kann für mich ein Ort werden, an dem ich mein(e) Verhältnis(se) zu meiner Arbeit/meinem sozialen Denken und Handeln darstellen, hinterfragen, diskutieren und letztlich reflektieren kann. Ich trete mit einem und durch einen Gedanken ein und trete mit als auch in einem Gedankengeflecht wieder heraus. Dieses Gedankengeflecht wird durch das Interagieren rezipierender, politischer Subjekte generiert worden sein. In ihrem Interagieren konstituiert(e) sich die Hybridität ihrer Wünsche, Sorgen und Nöte im Diskurs zu meinen und mit meinen Gedanken. Es entsteht ein „Wir denken“. Ein „Wir denken“, welches uns über uns selbst hinausführen kann. Hin zu einem Du und Ich. Einem Wir.

Inwiefern erleiden(?) politische Subjekte nicht überwindbare Widerstände, wenn sie innerhalb und über ihr Tal hinaus aus Grenzen Räume generieren wollen? Räume für den politischen Diskurs, Räume für die politische Partizipation und dadurch für die soziale Transformation könnten entstehen. Welche Rolle spielen dabei die Künste und in welchen soziokulturellen Räumen spielen sie diese? Entstehen sie in uns? Mit uns? Durch uns?

Das Forum Intolleranza entführt uns an einen Ort Utopia. Ein sich aus politischen, interagierend diskutierenden Subjekten generierender Ort, dessen Bürger:innen eine Gesellschaft anstreben, die von Gleichheitsgrundsätzen, Arbeitsamkeit und dem Streben nach Bildung geprägt ist. Ein Ort, der jedoch im Prozess seines Werdens nie seine ihm zu Grunde liegenden demokratischen Grundzüge verliert; vielmehr diese Grundzüge durch den Prozess und seine Prozessmomente erfährt. An diesem republikanischen Ort ist aller Besitz sozialer Beziehungen und ihrer Ver-Ortungen gemeinschaftlich. Ein Ort, an dem nicht mehr gerechnet, sondern sich dem Besseren hingewendet wird. Utopisch?

Es gilt Menschen zu finden oder von eben diesen gefunden zu werden, in deren Tun eine dem geschilderten Gedankengang sich annähernde Philosophie sichtbar wurde, wird, werden wird und geworden sein wird. Wer sind solche Menschen? Inwiefern sehen oder werden wir sie sehen? Inwieweit können sie aufgrund ihres Feldes und ihrer Feldpositionen von uns gesehen werden?

Inwiefern migrieren wir zwischen unseren Welten und den, in ihren Räumen sich produzierenden Gesellschaften. Inwieweit hat jede:r von uns einen Migrationshintergrund? Was sind das für Migrationshintergründe? Politische, kulturelle, religiöse …?

Inwieweit wäre es eine Utopie, wenn wir in unserem sozialen Tun unseren Moment der Migration(en) reflektieren und diskutieren würden? Inwiefern bewegen (lat. migrare) wir uns durch und mit diesen Migrationshintergründen zwischen den Polen Peripherie und Zentrum von sozialer Teilhabe? Inwiefern ließe sich ein Bewusstmachen von Migrationsprozessen in all unserem Tun als diskursanalytische Fragestellung(en) künstlerisch umsetzen? Inwieweit wird uns dies nur(?) bewusst durch die Spiegelung im und durch das Andere(n) (Edward Said: Orientalism)? Liegt der Schlüssel einer solch utopischen Vorstellung in der Interaktion mit und Integration von Flüchtlingen? Erfordert ein derartiges künstlerisches Vorgehen die Schaffung eines künstlerischen Raums für Flüchtlinge mit Flüchtlingen? Wer flüchtet sich eigentlich vor wem, zu wem im Diskurs über die Auswirkungen von Flüchtlingsbewegungen?

Jetzt ist Zeit! Zeit für ein Wir anstelle eines Die und Wir. Für ein Sich-Bewegen von einem Raum des Die und Wir durch einen Pfad in den Räumen der Utopien in eine gewordene Zukunft des kollektiven Du und Ich. Die Utopie wird Realität geworden sein, um Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit zu globalisieren.

Die öffentliche Gründungsveranstaltung war der Auftakt zu einem Reigen, der die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Tanzen bringen wird. Aus diesem Auftakt und den folgenden Aktivitäten werden weitere Fragen und Themen generiert. Entstehen können Formate unterschiedlichster Art wie ein Symposium mit Ausstellung, ein Workshop, ein Chor – oder gar eine Oper.

raum13 Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste ist keine reine Ortsbezeichnung für die Räumlichkeiten im rechtsrheinischen Köln, sondern vor allen Dingen ein Ort,
an dem neue Räume erst geschaffen werden. Inwiefern ist es also möglich, im Diskurs von Vor-Moderne, Moderne und Post-Moderne, aus Nichtorten der Sehnsüchte einen gewordenen, utopischen Raum der Hoffnung zu produzieren, ohne dabei das eigene historisch-politische Denken dem konventionellem Diktat der historia magistra vitae (est) monopers- pektivisch zu unterwerfen?

Konzept | Idee: raum13 Kolacek & Leßle in Zusammenarbeit mit Jan Breitenstein

Künstlerische Leitung: raum13 Kolacek & Leßle

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