SCHÖNHEIT DER VERGÄNGLICHKEIT#2_KriegsBlicke

von Christin Otto – Welt Kompakt – 18.06.2013  

Urbanes Kunstprojekt in der Industriebrache Die Kölner Theaterproduktion “KriegsBlicke” will Aufwühlen.

Theater in Köln

Urbanes Kunstprojekt in der Industriebrache

Die Kölner Theaterproduktion “KriegsBlicke” will Aufwühlen. Anfangs ist der Versuch, Momente deutscher und europäischer Kriegsgeschichte aufzugreifen, etwas pathetisch. Wer durchhält, wird belohnt. Von Christin Otto

Die Schauspieler Nikolaus Benda, Anne Düe und Florian Lenz (v.l.) überzeugen in der Kölner Produktion “KriegsBlicke”

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Köln 2013. Hundert Jahre trennen uns vom Vorkriegsjahr 1913. Nur hundert Jahre. Sind wir damit wirklich so weit vom berüchtigten “damals” entfernt? Hat sich überhaupt irgendetwas geändert? Und wo fängt Krieg eigentlich an? Mit diesen Fragen will die raum13-Theaterproduktion “KriegsBlicke” aktuell sein Publikum aufwühlen, zum Nachdenken anregen.

Bis sich diese Stimmung jedoch tatsächlich einstellt, ist etwas Geduld gefragt: Mit düsterem, lautem Hämmern nimmt das Stück seinen Anfang. Anne Düe krabbelt über den kalten, dreckigen Boden der Deutzer Industriebrache und ergibt sich einem Rausch obszöner Bewegungen.

Nikolaus Benda hämmert mit Inbrunst Steine zu Staub – als wolle er die Welt eigenhändig in Trümmer legen. Die Funken einer Kreissäge fliegen durch die abgedunkelte Halle. Mahnende Worte großer Dichter und Denker hallen überlappend durch den Raum. “Hasen, Krüppel, lahme Hunde seid ihr alle, wenn ihr das Herz nicht habt, etwas Großes zu wagen”, wird Schiller zitiert. Das Getose, das hier auf die Bühne gebracht wird, ist groß, anfangs leider aber auch etwas zu pathetisch, zu abgehoben. 

Beklemmende Stimmung

Wer durchhält, wird jedoch belohnt. Denn als Florian Lenz mit beklemmender Emotionalität zum Erzähler der Geschichte eines Zeitzeugen wird, Anne Düe im Wahnsinn der Grausamkeit selbst wahnsinnig wird und Nikolaus Bendas Fassade des abgeklärten Bundeswehrsoldaten plötzlich bröckelt, stellt es sich doch noch ein – das Aufgewühltsein, das Nachdenken.

Mithilfe fragmentarischer Ausschnitte greift das Stück verschiedene Momente deutscher und europäischer Kriegsgeschichte auf. Dass dabei eine düstere, beklemmende Stimmung entsteht, daran hat auch FM Einheit seinen nicht unbedeutenden Anteil. Der ehemalige Schlagwerker der Einstürzenden Neubauten hat die Bühnenmusik eigens für das Stück komponiert und bringt das Grundgefühl von “KriegsBlicke” damit auf den Punkt.

Die Aufführung, bei der sich das dreiköpfige Schauspieler-Ensemble mit jeder Menge Körperlichkeit und Aktionswut an die Grenzen der eigenen Kräfte spielt, ist der inzwischen zweite Teil der Triologie “Schönheit der Vergänglichkeit”.

Top-Kulisse

Einmal mehr haben die Veranstalter dafür das Verwaltungsgebäude des einstigen Weltkonzerns Klöckner-Humboldt-Deutz mit viel Aufwand und Liebe zum Detail zum Spielort umgestaltet. Passend zum Thema Vergänglichkeit rankt Moos im Innenhof des alten Fabrikgemäuers.

Das Grün holt sich dort, wo einst unzählige Menschen arbeiteten und Otto-Motoren gefertigt wurden, Schuhe und andere Reste menschlichen Daseins zurück. Eine bessere Kulisse hätte sich für “KriegsBlicke” wohl kaum finden lassen.

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