DEUTZ AG – Wo Geschichte in jeder Pore steckt Aus dem Hauptsitz des Motorenherstellers Deutz AG ist das „Deutzer Zentralwerk der schönen Künste“ geworden.

raum13 DEUTZER ZENTRALWERK DER SCHÖNEN KÜNSTE // Kölner Stadt-Anzeiger 13.09.13 // Annika Leister

DEUTZ AG – Wo Geschichte in jeder Pore steckt

Aus dem Hauptsitz des Motorenherstellers Deutz AG ist das „Deutzer Zentralwerk der schönen Künste“ geworden. Was das Traditionsunternehmen zurückließ, dient Kreativität als Requisite und die alten Räume als Bühne für die Kunst.

Der Boden ist mit Schutt bedeckt, Kabel ziehen sich wie Adern über die bröckeligen Wände und baumeln von der Decke. Die Glasscheibe in der Tür ist eingeschlagen. „So sah es hier überall aus“, sagt Marc Leßle. „Nur ging uns der Schutt bis zu den Knöcheln.“ 5000 Quadratmeter haben Bühnenbildner Leßle und Choreografin Anja Kolacek alias „raum 13“ inzwischen freigeschaufelt. Wie viele Räume, das wissen sie gar nicht genau. Immer im Kampf gegen die „Parallelwelt“, die in der ehemaligen Hauptverwaltung der Klöckner Humboldt Deutz AG in der Deutz-Mülheimer-Straße nach Kupfer oder Schutz vor Kälte sucht. „Manchmal hätte man heulen können“, sagt Kolacek. „Wenn alles wieder kaputt war, was man am Tag vorher aufgebaut hatte“

Inzwischen strahlt das Foyer mit der eindrucksvollen Treppe in Weiß, Blumen wachsen aus den Pissoirs im heutigen Damenklo und drei Etagen, inklusive der Produktionshallen, werden als Spielorte für Tanz-, Theater- und Performance-Kunst genutzt. Aus dem Hauptsitz des Motorenherstellers Deutz AG ist das „Deutzer Zentralwerk der schönen Künste“ geworden.

EINE GIGANTISCHE AUFGABE

Leßle und Kolacek verstehen ihr Zentralwerk als „spartenübergreifendes Stadt-Kunstprojekt“. Eine gigantische Aufgabe, die zwar von der Stadt und der Rhein-Energie gesponsert wird, aber: „Das reicht natürlich nicht.“ Also haben die beiden Künstler nicht nur viel Zeit und Arbeit in das Zentralwerk gesteckt, sondern auch sehr viel eigenes Geld. „Wir machen’s erstmal – und gucken dann, wie wir das finanzieren können“, lacht Kolacek.

Dabei haben die schönen Künste nicht einmal dauerhaftes Bleiberecht in der Industriebrache. Der Besitzer hat das Gebäude zwar von sich aus angeboten. Wenn er aber Eigenbedarf anmeldet, bleiben Leßle und Kolacek nur sechs Monate, um das Gelände zu räumen.

Doch das scheint den Beiden wenig auszumachen: Sie erzählen von weiteren Umbauplänen und der nächsten Produktion. Ihre wichtigste Inspiration, Leitmotiv und Verpflichtung ist dabei immer das Gebäude, das sie bespielen. „Die Räume hier sind so stark, man spürt ihre Geschichte in jeder Pore“, sagt Kolacek. „Das ist so irre, das kann man nicht ignorieren.“

ZENTRUM DER WELTMOTORISIERUNG

Rund 140 Jahre lang produzierte die Deutz AG in der Deutz-Mülheimer-Straße. Mit dem Ottomotor legte das Unternehmen hier den Grundstein für die weltweite Motorisierung. 2007 zog die Deutz AG nach Köln-Eil. Die Hauptverwaltung räumte als eine der letzten Abteilungen den Mülheimer Standort.

Die Fundstücke, die der Weltkonzern bei seinem Umzug zurückließ, haben Leßle und Kolacek gewissenhaft gesammelt und ganze Räume rekonstruiert. Ob Gehaltsabrechnungen in D-Mark, die Strichliste zur Betriebsratswahl, die Sirene in der Werkshalle oder das Pin-Up-Girl im Spind eines Mitarbeiters – in jedem Winkel des Zentralwerks warten Erinnerungen an die industrielle Blüte der Baracke. Sie bilden das perfekte Bühnenbild für die Produktionen von raum 13. „Die Räume geben uns den Inhalt vor, nicht anders herum“, sagt Kolacek. „Von der Industrialisierung bis zur Digitalisierung der Welt.“

Artikel URL: http://www.ksta.de/koeln/deutz-ag-wo-geschichte-in-jeder-pore-steckt,15187530,24309482.html

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