SCHÖNHEIT DER VERGÄNGLICHKEIT #3

Kölner Rundschau // Von SANDRA NUY – 11.09.2012

Zur Spiel­zeiteröffnung haben raum13 Kolacek & Leßle ein Projekt konzipiert, das als erster Teil der Trilogie Schönheit der Vergänglichkeit #3-1 die In­dustriebrache zum zweiten Hauptdarsteller – neben einem glänzend aufspielendem Flori­an Lenz – macht.

Wo Motoren dröhnten

Anja Kolacek und Marc Leßle beschwören „Die Schönheit der Vergänglichkeit’

,Vertrauen Sie uns”, sagt der blonde Junge in kniekurzer Hose, der in einem Bauchladen die Eintrittskarten verkauft, mit verbindlichem Lächeln. Und: ,Achten Sie auf die Ves­pa. Und: doch. Kurz nach 20 Uhr ist es soweit: Ein Herr im karierten Anzug knattert auf einem grauen Roller die Deutz-Mülheimer Straße in Höhe der ehemaligen KHD­ Hauptverwaltung auf und ab und lotst das Publikum in das Innere des einstigen Werkge­ländes.Hier, wo der Ottomotor entwickelt wurde, residiert nun unter der Leitung von Anja Kolacek und Marc Leßle (raum13 Theater Fraktion Köln) das Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste. Zur Spiel­zeiteröffnung haben raum13 Kolacek & Leßle ein Projekt konzipiert, das als erster Teil der Trilogie Schönheit der Vergänglichkeit #3-1″ die In­dustriebrache zum zweiten Hauptdarsteller- neben einem glänzend aufspielendem Flori­an Lenz -macht.

In einer langgezogenen Hal­le windet sich Lenz aus einem Haufen alter Reifenmäntel, ein Traumatisierter in Gummistie­feln, der protokollarisch genau einen verfallenen Ort be­schreibt: eben jene Motoren­fabrik, um deren Sozialge­schichte zwischen Nachkriegs­zeit und Heute es gehen soll. ,Zeit zum politischen Spiel”, sagt er irgendwann, während über Lautsprecher die ersten Artikel des Grundgesetzes verlesen werden.

Das Publikum durchwan­dert die Halle, vorbei an drei Jungs mit Luftballons in den deutschen Nationalfarben, um in einen Innenhof zu treten in dem drei unterschiedliche Mo­toren angeworfen werden. Ein satter Sound, der eine beein­druckende Video-Installatio­n über das Verhältnis von In­dividuum und Masse begleitet.

Dass es sich “bei dem Klei­nen um einen Motor Baujahr 1949 handelt, der einen Beton­mischer angetrieben habe, er­klärt einer der Zeitzeugen, ehemalige KHD-Beschäftigte, die sich unter das Publikum gemischt haben und sich im­mer wieder zum Gespräch an­bieten. Dazu hätte man gerne mehr Gelegenheit.

Aber das Publikum wird eher getrieben, als dass es sich treiben lassen dürfte, von einer Station zur nächsten: durch Treppenhäuser, Büroetagen, verlassene Geschäftszimmer, inszenierte Räume – durch Licht verfremdet, aber auch durch Klangcollagen bedeu­tungsvoll interpretiert (hier bisweilen ohrenbetäubende­m Lärm zu sprechen, wäre sachlich korrekt, aber künstlerisch nicht richtig). Für die Musik zeichnet FM Einheit verantwortlich, bekannt ge­worden als Schlagwerker der Einstürzenden Neubauten.

Dass bei der alle Sinne her­ausfordernden Performance die Vergänglichkeit insgesamt allzu gutmenschenhaft beklagt wird, ergibt sich aus der Sache selbst. Es gibt einen Begriff da­für: Industrieromantik. Die ist ja derzeit groß in Mode.

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