SCHÖNHEIT DER VERGÄNGLICHKEIT #3-1 – DAS WERK

Den Motor wieder starten – Ortstermin im „Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste“

Kölnische Rundschau // von: KATHARINA HAMACHER – 16.04.15

Als „einziges Kunstprojekt“ verstehen Marc Leßle und Anja Kolacek die ehemaligen Industrieanlagen.

Wilder Flieder drückt sich durch den bröckelnden Asphalt, hinter kaputten Fensterscheiben der umliegenden Gebäude erinnern vergilbte Gardinen an längst vergangene Zeiten. Aus den ehemaligen Fabrikhallen des einstigen Weltkonzerns Klöckner-Humboldt-Deutz strömt der unterschwellige Geruch alten Motoröls.

Wo vor 150 Jahren Firmengründer Nicolaus August Otto den revolutionären Viertaktmotor erfunden und Köln damit zur Wiege der Motorisierung gemacht hat, haben Anja Kolacek und Marc Leßle den „Rauml3 – Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste“ geschaffen. Sie verstehen den ehemaligen Hauptsitz der Deutz AG, den sie seit deren Wegzug 2007 zwischennutzen, als „Ort für experimentelle und politische Kunst sowie Schnittstelle von Theater, Tanz, Performance. Musik, Medien und Bildenden Künsten“.

Die Vergangenheit auf rund 5000 bespielbaren Quadratmetern erlebbar zu machen, ist eine echte Mammut-Aufgabe. Dass sie die bravourös meistern, hat das Künstlerpaar bereits mit den ersten beiden preisgekrönten Teilen der Trilogie „Schönheit der Vergänglichkeit – Das Werk“ bewiesen. Am 30. April vollendet der letzte Teil „In 80 Tagen um die Welt“ das spartenübergreifende Theaterkonzept.


Zuschauer gehen auf Zeitreise

Darin laden sie das Publik um auf eine interaktive Zeitreise ein, bei der der Dialog mit den Zuschauern eine zentrale Rolle spielt. Im beleuchteten Innenhof, in den imposanten Fabrikhallen und alten Vorstandsbüros beschwören Schauspieler die Vergangenheit der alten Fabrik herauf. Zeitzeugenberichte, alte Personalakten und andere historische Dokumente dienten Kolacek und Leßle als Anregungen. „Der Raum hat dabei klar den Inhalt vorgegeben.“ Nach und nach Schichten freizulegen und dabei einen Bezug zu Gegenwart und Zukunft herzustellen, ist ihr künstlerisches Konzept.

Diese Schichten sind beim Rundgang durch die spektakuläre Kulisse buchstäblich greifbar. Im einst prächtigen Treppenhaus zur ehemaligen Vorstandsetage, durch das bereits Persönlichkeiten wie Gottlieb Daimler, Wilhelm Maybach und Nicolaus August Otto schritten, türmt sich der abgeplatzte Putz auf den Stufen. 
Vergilbte Akten quellen aus furnierten Schrankwänden, aus den abgehangenen Decken hängen Kabelknäuel wie Eingeweide – alles originale Relikte, aber sorgfältig inszeniert von den beiden, die die gesamte Fabrik als ein „einziges Kunstprojekt“ versteht.

Dass Anja Kolacek und Marc Leßle die historischen Hintergründe noch tiefer erforschen konnten, ist einer Zwangspause geschuldet: Kurz vor der geplanten Premiere stürzte Leßle im vergangenen Sommer aus vier Metern Höhe von einer Leiter, zertrümmerte sich einen Wirbel, Ellenbogen und Handgelenk. Noch heute sitzt der Schock tief bei beiden.

Und bis heute ist der Techniker, der aus Kostengründen immer viel selbst gemacht hat, körperlich stark eingeschränkt. Dieser harte Einschnitt bringt für die beiden, die über die Jahre viel Geld in das Projekt gesteckt haben, auch finanzielle Sorgen mit sich. Zwar wurde „Raum 13“ von Rheinenergie-Stiftung und Kulturamt gefördert, allerdings ist die zukünftige Unterstützung noch unsicher. Die spartenübergreifende Arbeit erschwert das Prozedere.
„Wir kämpfen aktuell um eine mittelfristige Konzeptionsförderung von der Stadt, so Anja Kolacek. Zwar sind wir als förderungswürdig eingestuft, bekommen aber erst Zuschüsse, wenn der Haushalt beschlossen ist.“

Premiere: 30. April, Folgetermine am 16. und 30.5. und den Sommer über, jeweils 19.30 Uhr, Deutz-Mülheimer Straße 147-149. Alle Termine und Tickets unter www.raum13.com.

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