Halb_Wert_Zeit ist eine Tanztheater-Produktion, auf deren Qualität Kölns freie Szene gewartet hat. Was Anja Kolaceks Produktion mit dem Ensemble „raum13 Theater Fraktion Köln“ im Kunsthaus Rhenania von anderen ihrer Art unterscheidet, sind eine Geradlinigkeit, Entschlossenheit und ein Mut, die jedes Moment dieser Inszenierung sofort mit Intensität erfüllen.
Das beginnt bei der Bühne, die sich als eine große Kiste entpuppt; das Publikum sitzt gleich mit im Boot. Vorhang zu, und wir sitzen in einer Black Box. Die kleine Bühne müsste eigentlich ein Nachteil für Tanzambitionen bedeuten, hier aber produziert das Nähe, Unmittelbarkeit und Energie. Zumal Bühnengestalter Marc Leßle mit einer raffinierten Lichtregie den kleinen Raum in die Ferne öffnet.
Darin findet dann eine brutale Bestandsaufnahme dreier Künstlerleben – oder besser – überhaupt der Kunst statt. Wofür macht man sie, wo führt sie hin, und was bleibt einem am Ende? Nichts als Scheitern, lautet die aufrichtige Antwort. Aber das kann bei aller Bitterkeit eben auch Reichtum bedeuten. Das jedenfalls zeigen Heinrich Baumgartner, Harald Beutelstahl und Anja Kolacek in einer Tour de Force, die eigene Biografie und Kunst ideenreich verbindet. Es wird getanzt, geschrien, gefesselt, erzählt, geklagt, gelacht und geweint. Und all das überzeugt, weil der innere Kompass dieser Inszenierung stimmt. Er ist auf die Realität ausgerichtet, in gewissem Sinne auf die Wahrheit, denn die Drei tun nicht so als ob, suchen in allem, was sie machen, den Kern ihrer Aussage. Deshalb streift die Inszenierung beständig die Grenze zur Performance, was dem Publikum zugute kommt, weil es nicht einfach einer Vorstellung, sondern einem Life-Ereignis beiwohnt.
Woraus besteht das Schauspiel? Aus dem Versuch, in die Haut eines anderen zu schlüpfen; eine Antwort, die das Trio auf die Spur von Berührung, Liebe, Besessenheit bringt.
Davon zeigt sich dann auch das Publikum berührt: Begeisterter Applaus.
(Thomas Linden, Kölner Kultur / Kölnische Rundschau, 3. Juni 2008)