Stepahnie Becker über die Federführung von raum13 // AKT – 01.03.2010
Ein Ort mit Potential
Der neueste Stand in Sachen Kölner Tanzhaus
Die Kölner Kulturszene ist in Aufruhr. Viele Aktionsbündnisse wie „Mut zu Kultur“, „Kölner Komment“ oder „Ihr seid Künstler und wir nicht“ rufen dazu auf, sich aktiv am kulturellen und politischen Leben zu beteiligen. Denn die Stadt hat viele Pläne, die auf der Grundlage
einer schwierigen Haushaltslage in nächster Zeit in Angriff genommen werden müssen. Zu den erfreulichen gehört mit Sicherheit die Errichtung eines Tanzhauses.
Seit Mai 2009 hat die Stadt Köln zwei Hallen in Mülheim auf der Schanzenstraße 35 in prominenter Lage angemietet: auf dem Gelände des E-Werks, neben den Produktionsstudios der Harald Schmidt Show. Dort soll es entstehen: Das seit so vielen Jahren dringend benötigte Haus für den Tanz. Lange Monate standen die Hallen nach der Anmietung erst einmal leer, denn es gibt noch keinen Ratsbeschluss zu diesem Thema. Aber der Kulturamtsleiter Konrad Schmidt-Werthern hofft auf einen solchen zu Anfang des zweiten Quartals. Erst dann weiß man, wie viel Geld zur Verfügung steht; erst dann können die Umbaumaßnahmen beginnen; erst dann kann man mit Hilfe einer bundesweiten Ausschreibung nach einer künstlerischen Leitung suchen. Ende letzten Jahres hat man sich im Kulturamt dann doch entschlossen, die Hallen schon bis zum Sommer 2010 provisorisch zu nutzen. Innerhalb der Kölner Tanzszene
wurde ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben. Entschieden hat man sich für ein Konzept von „raum13 – Theater Fraktion Köln“ unter der Leitung von Anja Kolacek und Marc Leßle. Dieses Konzept hat bestochen, „weil es einen kompletten Entwurf für das gesamte halbe Jahr gemacht hat“, so Gisela Deckart, die städtische Referentin für Tanz. Ein Konzept, das die gesamte Bandbreite der Kölner Tanzszene präsentieren möchte. und wie sieht es mit der praktischen Umsetzung aus? Kolacek und Leßle arbeiten seit vielen Jahren zusammen –
sie als Regisseurin und Choreografin, er als Bühnenbildner, Video- und Lichtgestalter. und dieses Mal haben sich die beiden viel vorgenommen. Die Stadt stellt zunächst einmal nur die Räumlichkeiten mietfrei zur Verfügung. Alles andere müssen sie selbst leisten: die gesamte Infrastruktur aufbauen, Genehmigungen einholen, einen Spielplan erstellen, Öffentlichkeitsarbeit machen, Sponsoren suchen und so weiter. Die Finanzierungsfrage
muss sich erst noch klären, aber beide sprudeln über vor Energie, Tatendrang und Ideen. Sie sind begeistert von den Räumlichkeiten und Potenzialen, die in diesem Ort stecken. Von Vorteil ist sicher, dass beide schon lange künstlerisch in Köln tätig sind und Erfahrungen haben mit ungewöhnlichen Räumlichkeiten sowie der Verwirklichung größerer Projekte. 2007 gründeten sie das Künstlerkollektiv raum13. Mit ihm haben sie im Mai 2009 das Projekt „Alles was tanzt“ in den Spichernhöfen ins Leben gerufen. Ein Projekt, bei dem alle Akteure der Kölner Tanzszene – vom Funkenmariechen bis zum zeitgenössischen zeitgenössischen
Tänzer – sich mit einer kurzen Präsentation bekannt machen konnten. Ihr Entwurf für den Interims-Spielbetrieb in Mülheim sieht hauptsächlich drei Ziele vor. Erstens möchten sie eine Anlaufstelle für alle Tanzinteressierten sein: mit Profi-Trainings, Film- und Diskussionsabenden. Zweitens wollen sie im Mai zum zweiten Mal ihren „Alles was tanzt Gipfel“ stattfinden lassen. Drittens soll es danach eine Aufführungsreihe geben, in der die verschiedensten Akteure der Kölner Tanzszene ihre fertigen Projekte oder Projektideen vorstellen können. Die beiden haben noch viele weitere Visionen, „aber nun muss man natürlich schauen: wie bekommt man das strukturiert? Wie bekommt das Ganze nach außen irgendwie einen Guss? Wie kann man sich positionieren? und wie bekommt man es logistisch gelöst?“ Fragen, die sich Anja Kolacek im Moment täglich stellt. Doch wie geht es nach der provisorischen Lösung ab dem Sommer weiter? Das weiß im Moment niemand so genau. Köln braucht seit so vielen Jahren dringend einen Ort für den Tanz. Das ist allen Beteiligten klar. und die Anmietung der Hallen in Mülheim ist zumindest ein gutes Zeichen. Aber dabei darf es nicht bleiben. Perspektivisch muss dem Tanz in Köln ein gleichberechtigter Platz neben der Oper und dem Schauspiel eingeräumt werden. und gerade die Umgestaltung am Offenbachplatz bietet jetzt die einmalige Gelegenheit, die Kunstsparte Tanz ganz neu zu etablieren. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir uns hier nicht nur für eine Architektur, sondern auch für ein Kunstkonzept entscheiden, das
für die nächsten 50 Jahre tragfähig sein soll und flexibel genug, ästhetischem und gesellschaftlichem Wandel integrativ und offen zu begegnen.“ So ein Zitat aus dem „Manifest für den Tanz“ unter der Federführung von Kajo Nelles, Vera Sander und Uwe Möller. Dort wird unter anderem gefordert, die städtische Theaterlandschaft auch einmal aus dem Blickwinkel des Tanzes zu reflektieren. Wäre es zudem nicht zeitgemäßer, die Einteilung in Kategorien wie: hier der selbständige Tanz und dort die etablierte Ballettcompagnie, aufzulösen? Trotz einer schwierigen Haushaltslage brauchen wir jetzt den Mut zu
einer zukunftsfähigen Lösung – auch und gerade für den Tanz in Köln.
STEPHANIE BECKER