SCHÖNHEIT DER VERGÄNGLICHKEIT #2 – KriegsBlicke

Kurt-Hackenberg-Preis 2013 Laudatio für den Preisträger

von: Anna Dünnebier und H.-Georg Lützenkirchen – 04.12.2013

Eine Produktion, deren Ästhetik fasziniert und die einen nachdenklich entlässt.

Eine riesige düstere Industriehalle, kahl und verkommen, mit dem Flair des Vergangenen, explosiv rockende Musik, Menschen in wildem Arbeitsrhythmus mit Vorschlaghammer und Kreissäge, in Staub und Funkenregen, schaffen sie, zerstören sie? So beginnt die Produktion „KriegsBlicke“.

In einer Collage aus fesselnden und verstörenden Bildern, Berichten von Zeitzeugen und literarischen Quellen befragt diese Produktion Historie und Gegenwart – wo sind die Momente, in denen Gesellschaft kippt, in denen man sich in Sicherheit einlullt, in denen alles auf Krieg hinausläuft, wann beginnt der Vorkrieg?

Großartig die Kunst der drei Schauspieler, diese Vielfalt der Erinnerung, Phantasie und Träume darzustellen: berserkernde Industriearbeiter, sensible Zeitzeugen, Soldaten, die ihren Job machen, brüllende Demagogen und gehorsamtrunkenes Volk, tänzerisch-zarte Zuneigung über Grenzen hinweg, Absinken in den Wahnsinn. Großartig auch die kongeniale Musik von FM Einheit.

Augenblicke aus den 100 Jahren zwischen 1913 und heute werden fokussiert: Patriotismus, Selbstüberschätzung, Verzweiflung, Schrecken, falsche Hoffnung. Die Szenen bilden einen Spannungsbogen vom Damals zum Heute. Die damals moderne Technik, deren Zeuge die alte Werkshalle ist, gab Hoffnung auf besseres Leben, war zugleich Anstoß zu immer perfekterer Kriegsführung. Die internationale Verflechtung von Wirtschaft und Finanzwelt schien Kriege auszuschließen. Eine falsche Sicherheit, in der wir uns auch heute wähnen? Bedrückend die Zitate aus der damaligen Kunst- und Intellektuellenszene, durchweg kriegsbegeistert. Da bröckelt auch die eigene friedensbewegte Sicherheit – in einem Land, das teilnimmt an Morden und Kämpfen, die als „Krieg gegen Terror“ gerechtfertigt werden, unterstützt von modernster IT- Technik. Sind wir nicht alle gegen Krieg?

Eine Produktion, deren Ästhetik fasziniert und die einen nachdenklich entlässt. 

Anna Dünnebier und H.- Georg Lützenkirchen

für die Jury des Kurt-Hackenberg-Preises, ausgelobt von der Freien Volksbühne Köln e.V., Köln im November 2013 

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