raum13 DEUTZER ZENTRALWERK DER SCHÖNEN KÜNSTE // Die Kunstfabrik // Anja Kolacek und Marc Leßle über ihr Projekt

StadtRevue 04-12 // Interview: Romy Weimann – 1.04.2012

Im Juni 2011 haben Anja Ko­lacek und Marc Leßle, die künstle­rischen Leiter der Gruppe raum13, das »Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste« (DZK) eröffnet. Seitdem vergeht kaum ein Monat, in dem nicht etwas Neues aus dem DZK auf der Deutz- Mülheimer Straße zwischen Zoo- und Mül­heimer Brücke drängte. Früher gehörte die Halle zu den Werken des Motorenherstellers Klöckner ­Humboldt-Deutz (KHD), jetzt versteht sie sich als Kunstfabrik.

StadtRevue: Ihr bespielt den Ort seit rund zehn Monaten. Wie hat er sich entwickelt?

Marc Leßle: Als wir 2010 zum ersten Mal in die Hallen der alten KHD-Werke getreten sind und im Chaos von altem Gerümpel, Deckenputz und Feuerlöschpul­ver kaum den Boden sehen konn­ten, da haben wir uns schon ge­fragt, was für einen Klotz wir uns ans Bein gebunden haben. Aber jetzt, wo alles entrümpelt, mit Wasser und Strom versorgt ist und rund 5.000 Quadratmeter dieses Geländes renoviert und be­spielbar sind, können wir endlich das machen, wozu wir hier hin ge­kommen sind: Kunst.

Anja Kolacek: Wir arbeiten kon­tinuierlich an der Idee, Strukturen für spartenübergreifende Kunst zu schaffen und ein Netzwerk auf­zubauen. Mit unseren Reihen, Festivals, Eigenproduktionen, Gastspielen und Ausstellungen haben wir seit Juni dafür einen guten Grundstein gelegt.

Wie kann man sich die Arbeit in einer „freien Kunstschmiede“, wie ihr das DZK nennt, im Gegensatz zu einem herkömmlichen Theaterbetrieb vorstellen?

ML: Hier muss man sich nicht nur das Bühnenbild, sondern zu­erst das ganze Theater bauen. (lacht) Doch das Schöne ist: Man kann sich ein Theater bauen, in dem man auch spielen will!

AK: Jeder Künstler, der im DZK inszeniert, ist Teil eines Ganzen. Er gibt Impulse, muss aber auch offen sein für andere Kunstformen und Ideen. Im Vordergrund steht immer der Mensch, nicht das Ge­bäude. Wir wollen weder ein Theater- noch ein Tanzhaus er­öffnen, sondern diese Räume, die uns von dem Investor zur Zwi­schennutzung zur Verfügung ge­stellt wurden, als Künstler- und Kreativzentrum nutzen.

Was heißt Zwischennutzung?

ML: Der Investor kam auf uns zu und fragte, ob wir die Räume für unsere Projekte haben wollten. Er ist daran interessiert, dass es sinn­voll genutzt wird, bis er es in etwa drei bis vier Jahren rekommerzialisieren will. Das gibt uns eine große künstlerische Freiheit, birgt aber auch Schwierigkeiten.

Welche Schwierigkeiten sind das?

AK: Als derzeitige Betreiber haben wir eine immense Verantwortung für das Gelände, sind Intendanten, Hausmeister, Theatermacher und Schlüsselhalter. Glücklicherweise arbeiten wir mit Menschen, denen wir vertrauen und auf die wir uns verlassen können. Außerdem er­halten wir für die in diesem Jahr geplanten zwölf Produktionen von der RheinEnergieStiftung 20.000 Euro an Fördermitteln für eine Abteilung, die uns in administra­tiven Aufgaben unterstützen soll.

Wie kann man mit den wenigen Mitteln einen solchen Großbetrieb am laufen halten?

ML: Um das Haus betriebsfähig zu machen, waren viel Arbeits­kraft, Eigenkapital und vor allem Freunde unabdingbar, die uns in unserer Idee unterstützt haben. Eine große Hilfe beim Aufbau des technischen Apparats war der Technikpool der Stadt. In diesem Jahr werden wir außer­dem durch 40.000 Euro Investi­tionsförderung für unsere tech­nische Grundausstattung vom Landschaftsverband Rheinland unterstützt. Letztlich geht es immer darum, ein Kreativ­zentrum für zeitgenössische Kunst zu entwickeln. Daran glauben wir, und dafür arbeiten wir. Leider sind die Haushalte von Stadt und Land für 2012 noch nicht sicher – und damit auch unsere zusätzlichen Pro­jektmittel und die unserer Künst­ler nicht. Aber ohne öffentliche Gelder ist dieses Projekt nicht realisierbar.

Ihr gestaltet schon seit Jahren maßgeblich die Kölner Tanz und Theaterlandschaft mit. Neben dem Tanzhaus Köln Interim habt ihr „Alleswastanz“ geschaffen und einen sogenannten „Tanzgipfel“.

Was wird der daraus entstandene „Stückemarkt“ Ende März zeigen?

ML: Aus dem dritten Tanzgipfel 2011 haben wir drei junge Künst­ler bzw. Gruppen ausgewählt, an die wir Residenzen vergeben, mit denen wir enger zusammenarbei­ten, und die wir so als Nachwuchs unterstützen wollen. Der Stücke­markt stellt vier Projektarbeiten aus ganz Deutschland vor: »Spec­tators Only« von David Pollmann, »Big Bodies« von der compognie mintrotundschwarz , »Shades of Gray« vom Brachlandensemble und unsere eigene raum13-Pro­duktion »Substanzen«.

Warum habt ihr gerade diese Gruppen ausgewählt?

AK: Die Konzepte dieser Künst­ler passen sehr gut zu der Grun­didee des DZK. Kunst sollte aus einem Polilog verschiedener Rich­tungen entstehen. David Poll­mann ist bildender Künstler und wird eine Installation aus Video und Tanz zeigen. Oft ist auch eine originelle Erzählstruktur ausschlaggebend. mintrotund­schwarz nähern sich ihren The­men durch eine sehr experimen­telle, dennoch narrative und nicht selten humorvolle Art des Tanzes. Das Brachlandensemble macht spartenübergreifende und inter­aktive Bewegungskunst. Wichtig ist uns außerdem, dass sich die Perfomances mit den leeren Fa­brikhallen und den vielen Büroräu­men auseinandersetzen, in denen früher so viel Leben stattfand. Sie sollen sich die Magie des Ortes zu eigen machen.

Wann wird es eine neue Produktion von Euch selber geben?

AK: Im September zeigen wir un­sere Projekt- und Recherchear­beit »Schönheit der Vergänglich­keit«. Da wird es auch um unser Gebäude gehen, um die Um­wandlung von Industrieräumen.

Interview: Romy Weimann

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