Thomas Linden / Kölner Rundschau – 3.04.2013
Die Kulisse zählt zu den eindrucksvollsten, die man in Köln zu Gesicht bekommen kann.
Anweisungen im Traumwelt-Chaos
Alices Dinnerparty im Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste
Die Kulisse zählt zu den eindrucksvollsten, die man in Köln zu Gesicht bekommen kann. Eine verlassene Industriehalle im Halbdunkel. Nebel steigen im Inneren auf, über einen zwanzig Meter langen Tisch kommt eine junge Frau aus der Tiefe des Raums. Lisa Gwendolin Eichberger gibt im Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste die Alice-Alices Dinnerparty”, eine Produktion von raum13 Kolacek & Leßle, ist eine Bearbeitung des Kinderbuch-Klassikers, der aber von seinem Autor Lewis Carroll eigentlich an die Adresse von Erwachsenen gerichtet war. Alice thront über den Köpfen des Publikums, das mit Getränken in der Hand geduldig der Performance der jungen Sängerin und Schauspielerin folgt. Das Verwirrspiel zwischen Sprache und Identität setzt ein, in dem Kaninchen und Katzen die grimmige Dynamik des Nonsens einbringen. Lisa-Gwendolin Eichberger zitiert die Prosa Carrolls, als bestünde sie aus Gedichten. Sie bittet fast verzweifelt um Hilfe: „Ich brauche Anweisungen”, um sich im Chaos der Traumwelten zu orientieren.
Ihre Stimme und die musikalischen Kompositionen klingen wie Stationen eines Musicals, allerdings eines, das im Gegensatz zum Großteil dieser Musiksparte ziemlich intelligente Texte bietet. Die junge Frau kann singen, sie genießt ihr Solo droben auf einem Metallgitter, zu dem alle hinaufschauen müssen. Auf der Strecke bleibt der Hintersinn von Carroll, das boshafte Spiel der Worte und einer Materie, die außer Kontrolle geraten ist. Auch wenn diese luzide Wendung fehlt, gelingt es Lisa-Gwendolin Eichberger ihrer Alice eine schwebende Leichtigkeit zu verleihen. Manchmal muss man sich mit eigenen Augen überzeugen, ob sie noch steht, oder sich schon durch die Lichtnebel der unheimlich anmutenden Industriebrache bewegt.
Über das ganze Jahr hinweg wird die „Dinnerparty” organisiert, zu der es Musik von HansJoachim Irmler und die Gelegenheit zum Tanzen gibt. Ein Spektakel, das nach überstandener winterlicher Kälte ein anderes Gesicht gewinnen wird und sich im Sommer zum bizarren Nacht-Event verwandeln könnte.
120 Minuten. Nächste Vorstellungen 19. April, 17. Mai und 21. Juni, jeweils 21 Uhr. Deutz-Mülheimer Str. 147-149. Karten-Tel. 0221 / 42 32 185
Thomas Linden / Kölner Rundschau 3. April 2013